Demonstration: Offene Grenzen und Solidarität statt Asylrechtsverschärfungen und rechtem Hass!

Demonstration | Sa. 19.09.15 | 12 Uhr | Hauptwache Frankfurt/Main

[English below]

Flyer hier als pdf | facebook event hier

In den letzten Tagen wurde von vielen Seiten die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung betont, die an vielen Bahnhöfen Geflüchtete »in Empfang« genommen hat. Solche Unterstützung ist wichtig und unverzichtbar, aber sie reicht nicht aus. Solidarität muss über Sachspenden, Willkommensgesten und Worte hinausgehen. Denn während die Hilfsbereitschaft von der Bundesregierung einerseits hoch gelobt wird, werden andererseits gleichzeitig die schon zweiten Asylrechtsverschärfungen in diesem Jahr geplant (siehe den Beschluss des Koalitionsausschusses der Bundesregierung vom 6. September 2015). Diese werden erneut menschenverachtende Verschlechterungen für Geflüchtete bedeuten, die das geäußerte Lob als blanken Hohn erscheinen lassen.

Am 24. September soll beim Bund-Länder-Gipfel eine massive Verschärfung des Asylrechts beschlossen werden. Verbesserungen im Bereich der Asylpolitik, die hart erkämpft wurden, sollen zunichte gemacht werden. Die Koalition fantasiert »Fehlanreize« des deutschen Asylrechts herbei, die Menschen angeblich nach Deutschland locken würden und deshalb zukünftig abgeschafft werden sollen.

So sollen unter anderem…

…Bargeldzahlungen verfassungswidrig möglichst durch »Sachleistungen ersetzt werden«: Lebensmittelpakete und Kleidungslieferungen statt der Möglichkeit mit dem zustehenden Geld selbst über die eigene Versorgung zu entscheiden.

…die »Höchstdauer des Aufenthaltes in Erstaufnahmeeinrichtungen« von 3 auf 6 Monate erhöht werden. Die zugehörige Residenzpflicht, also das Verbot je nach lokaler Regelung das Stadtgebiet, den Landkreis oder das Bundesland nicht verlassen zu dürfen, soll entsprechend verlängert werden.

…Kosovo, Albanien und Montenegro zu »sicheren Herkunftsstaaten« erklärt werden. Asylsuchende aus diesen und anderen als »sicher« definierten Ländern sollen bis zum Ende ihres Asylverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und von dort direkt wieder abgeschoben werden. Dies ist nicht zuletzt aufgrund der keinesfalls sicheren Lage für Minderheiten wie Roma in den genannten Ländern eine fatale Absicht.

…die Höchstdauer zur Aussetzung von Abschiebungen von 6 auf 3 Monate reduziert werden. »Geduldete« dürfen sich also fortan nicht mehr als ein Vierteljahr »sicher« in Deutschland fühlen.

Menschen zu unterstellen, wegen der geringen Bargeldleistungen (143 Euro für Alleinstehende) nach Deutschland einzureisen, ist nicht nur ein Hohn für alle, die vor Krieg, Verfolgung und rassistischer Diskriminierung fliehen, dieser Populismus befeuert eine Neiddebatte, die den Nährboden für eine weitere Zunahme der rassistischen Hetze und Gewalt gegen Geflüchtete schafft. Denn während zuletzt Geflüchtete vielfach »in Empfang« genommen wurden, wurden 2015 zugleich die meisten rassistischen Anschläge seit Jahren verübt: Mindestens 305 Angriffe (davon 45 Brandanschläge) auf Unterkünfte – und damit mehr als ein Angriff pro Tag! – und mindestens 140 Verletzte wurden bisher für dieses Jahr verzeichnet (siehe Chronik). Möglich wird diese Gewalt erst durch das Dulden und Nichtverhalten der Mehrheit. Deshalb ist es an uns allen, sich wann immer es nur geht sowohl gegen solche Gewalt als auch gegen alltägliche rassistische Zuschreibungen aufgrund von Aussehen, Herkunft oder Kultur einzusetzen!

Statt auf rassistische Gewalt wie in Freital oder Heidenau und die Bedürfnisse von Asylsuchenden angemessen zu reagieren, werden von staatlicher Seite jedoch die Rechte von Geflüchteten weiter eingeschränkt oder einfach die staatlichen Grenzen wieder geschlossen, wie letztes Wochenende nach Österreich. Dass auch andere Wege in der Asylpolitik möglich sind, zeigte in den letzten Wochen umgekehrt die kurzzeitige Grenzöffnung zu Ungarn – ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass Staatsgrenzen menschengemacht sind und genauso gut geöffnet werden könnten.

Wie in der vorherigen Asylrechtsverschärfung (Details siehe hier) gibt es auch in der geplanten einige positiv klingende Aspekte, etwa die angebliche Absicht eine nachhaltige Infrastruktur für Geflüchtete und für ihre »Integration« in Deutschland zu schaffen. Dies sollte jedoch generell Ziel sein und nicht nur dazu dienen, Verschlechterungen für Asylsuchende besser dastehen zu lassen.

Die außerdem beabsichtigte wirksamere »Bekämpfung der Schleuserkriminalität« verdreht die Tatsachen. Die Wurzel des Problems sind nicht Menschen, die anderen bei der Flucht helfen und teilweise an der Not der Flüchtenden verdienen, sondern, dass den Menschen keine legalen Einreisemöglichkeiten geboten werden und ihnen so nur der gefährliche Weg der illegalisierten Grenzübertritte bleibt.

Statt der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen wollen wir eine Solidarität, die eine Kritik an der deutschen und europäischen Asylpolitik und das unbedingte Einstehen für Bewegungsfreiheit für alle miteinschließt – unabhängig davon, weshalb sie ihr Heimatland verlassen. Es sollte nicht darum gehen, Menschen hier »willkommen zu heißen« als erteile die deutsche Bevölkerung das Recht zum Aufenthalt. Vielmehr sollten wir gegen Machtverhältnisse ankämpfen, die dafür sorgen, dass eine Schere zwischen den hier Lebenden und den hier Ankommenden aufgemacht wird. Wir wollen ein Europa und eine Welt ohne Grenzen, in der alle frei entscheiden können, wohin sie gehen und wo sie bleiben – und nicht nur einige wenige, die durch ihre Staatsangehörigkeit privilegiert sind.

Ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung kann die Verhinderung der geplanten Asylrechtsverschärfungen sein. Kommt deshalb mit uns am 19. September auf die Straße und setzt ein deutliches Zeichen für Solidarität, Bewegungsfreiheit und offene Grenzen!

refugees for change & noborderffm

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OPEN BORDERS AND SOLIDARITY instead of aggravations of the asylum law and right-wing hatred.

Demonstration | Saturday, 19th of September, 2015 | 12pm | Hauptwache Frankfurt/Main

+++ facebook event here +++

The past days, many people emphasized the German populace’s willingness to help “welcome” refugees at various train stations. This support is important and indispensable, but it’s not enough. Solidarity has to be more than donations, gestures of welcoming and words. While the German government is praising willingness to help onthe one side, it is at the same time planning the already second tightenings of the asylum law this year (see this unofficial translation of the Coalition Committee Resolution of September 6th). These will, once again, mean inhuman worsenings of the situation for refugees and make the praisings look most cynical.

At the so called «Bund-Länder Gipfel» on September 24th, there is supposed to be a massive enactment of aggravations of the asylum law. Improvements of asylum policies which had to be won in difficult and yearslong struggles shall be undone. The coalition fantasizes about “false incentives” of the German asylum law which allegedly attract people to come to Germany and should therefore be abolished.

Among other things they are supposed to enact…

…the unconstitutional replacement of cash payments with payments in kind: food parcels and supply of clothing  instead of giving people the possibility to decide freely how to provide for oneself.

…the increase of the maximum duration of stay in the reception centers (“Erstaufnahmeeinrichtungen”) from 3 to 6 months. The accompanying “Residenzpflicht”, the prohibition to leave the city, county or federal state – depending on local regulation –, shall be be prolonged accordingly.

…the declaration of Kosovo, Albania und Montenegro to “secure countries of origin”. Asylum seekers from these and other countries defined as “secure” are supposed to stay in the reception centers until the final decision of their asylum claims and to be deported directly from there. This is a fatal decision, regarding the definitely not safe situation for minorities like Roma in the mentioned countries.

…the reduction of the maximum period of time that the deportation of people can be suspended from 6 to 3 months. »Geduldete« (people who are not granted asylum but who the German state cannot deport) will not be able to feel “safe” for more than quarter of a year in Germany in the future.

To allege that people come to Germany because of the little cash allowancesthey receive (143 Euro for singles), is pure mockery for all who flee from war, persecution and racist discrimination. This populism fuels a jealousy debate, which is the breeding ground for the intensification of racist agitation and violence against refugees. Whereas lately refugees were often publicly “welcomed”, the year 2015 also presents a year in which racists attacks are on a new high: at least 305 attacks (45 of them arson attacks) on refugee accommodations and 140 injured people were recorded (see the chronicle here [in German]). That makes more than one attack a day! This violence is only possible due to the majority’s tolerance and passivity. This is why it is up to all of us, to determinedly stand against such violence and also against racist ascriptions because of looks, origin or culture in our everyday life.

Instead of reacting to racist violence like in Freital or Heidenau and instead of reacting to the needs of asylum seekers in an appropriate way, the state either further limits the rights of refugees or simply closes its borders, like the ones to Austria recently. That another way is in fact possible was shown by the temporary opening of the borders to Hungary in the last weeks. This perfectly demonstrates that borders are made by humans and as such can just as well be undone by them.

Similar to the previous asylum law restriction, there are some aspects which at the first glance sound positive like the intention to create a lasting infrastructure for refugees and their “integration” into Germany. But these aspects should be self-evident goals and not serve as a means to make the planned asylum law aggravations seem less harmful.

The additionally intended “effective fight against smuggling and trafficking” twists around the facts. The root of the problem are not the people, which help others on the flight and who sometimes make money out of the distress of refugees, but the fact that there are no legal entry possibilities. Due to this lack, the only ways left for people to cross the borders are dangerous and declared illegal.

Instead of the planned measures by the federal government we are calling for a solidarity which contains a critique of the German and European asylum policies and the unconditional right of movement for all – regardless of the reasons why somebody left their home country. It shouldn’t be about “welcoming people”, as if the German population had the right to grant people residence on this soil. Rather we should fight the power relations, which lead to a gap between the people living here and to those arriving. We demand a Europe and a world without borders, in which everybody can choose where they want to go and where they want to stay – and not only those who hold a privileged passport.

A small, but important step towards this vision is the prevention ofthe planned tightenings of the asylum law . Let’s go on the streets on the 19th of September and set a sign for solidarity, freedom of movement and open borders for everybody!

refugees for change & noborderffm