– Kommentar zur aktuellen Situation –
In den letzten Wochen hat die Thematik Flucht und Asyl in Deutschland eine immense Brisanz und Aktualität bekommen. Nach pogromartigen rassistischen Ausschreitungen in Heidenau schwenkte der öffentliche Blick bald zu den vielen Geflüchteten z.B. in Ungarn, die sich zunehmend ihren Weg weiter in die EU und unter anderem nach Deutschland erkämpf(t)en.
Das Verhalten vieler Menschen hierzulande angesichts der Ankommenden – die praktizierte “Willkommenskultur” – wurde von offizieller Seite stark gelobt. Diese “warmen Worte” der Politik scheinen darüber hinwegtäuschen zu wollen, dass der Staat hinsichtlich seiner Schutz- und Verantwortungspflicht in den letzten Wochen und Tagen kategorisch versagte: Zwar waren die Grenzen kurzzeitig geöffnet, jegliches “Willkommenheißen” wurde allerdings völlig überlasteten, unausgebildeten Helfer*innen überlassen – so auch in Frankfurt. Diese bemühten (und bemühen) sich, trotz beschränkter Mittel, für die ankommenden Menschen eine halbswegs menschenwürdige Erstversorgung zu gewährleisten. Ein paar Tage lang zeigte sich Deutschland stolz im humanitären Gewand. Doch anstatt nun alle verfügbaren Mittel dafür aufzuwenden, dem zuvor deklarierten Anspruch einer “Willkommenskultur” auch von staatlicher Seite gerecht zu werden, sollen nun “vorübergehende Grenzkontrollen […] Ländern und Kommunen eine Atempause [verschaffen], um die Aufnahme der Flüchtlinge wieder in geordnete Bahnen zu bringen,” wie Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, erklärt.
An dieser Stelle wird offenkundig, wie perfide und auf sich selbst bezogen diese Logik ist. Statt sich für eine Atempause für von der Flucht erschöpfte Menschen einzusetzen, soll die staatliche Ordnung gewahrt werden. Diese Entscheidung der deutschen Regierung steht konträr zu jedem humanitären Gedanken.
Die Bundesregierung forciert mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen einen (Rück-)Schritt in Richtung der Vorrangstellung nationalstaatlicher Interessen. Dieser Logik nach haben nur die Vorteile für das eigene Land eine Bedeutung – konkret geht es nur darum, selbst nicht “zu viele” Menschen aufzunehmen. Menschen werden dabei nur als abstrakte Zahlen aufgefasst, nicht als einzelne, konkrete Personen. Der Abschottungsgedanke wandelt sich vom Gedanken der Festung EUropa im Großen zu einem deutschen Mythos des “vollen Bootes” im Kleinen.
Darüber hinaus zeigt die Grenzschließung Deutschlands deutlich ein Versagen der deutschen Politik auf. Dass die derzeitigen Krisen in der Welt dazu führen würden, dass vermehrt Menschen aus ihren Ländern flüchten würden, war schon länger vorauszusehen und hat sich in einer seit Jahren nach und nach steigenden Zahl an Asylanträgen auch faktisch abgezeichnet. Die deutsche und EUropäische Politik setzte jedoch nicht darauf, Strukturen für Aufnahme und Ankommen zu schaffen. Vielmehr wurde eine Politik der Abschottung und Abschreckung verfolgt.
In den letzten Tagen ist einmal mehr offensichtlich geworden, dass diese Politik als gescheitert und verfehlt anzusehen ist. Menschen lassen sich nicht von dieser Abschottungspolitik abhalten. Wer vor Elend und Verfolgung flieht, riskiert das eigene Leben, um in EUropa eine Zukunft zu finden – daran können Grenzzäune, Kontrollen und auch diskriminierende Gesetzgebungen für Asylsuchende offenbar nichts ändern. Es wäre nun höchste Zeit, die Fehlentscheidungen und Versäumnisse der letzten Monate und Jahre einzuräumen und sich auf den Aufbau von funktionierenden Aufnahmestrukturen zu konzentrieren.
Die EUropäischen Staaten müssen ihrer Verantwortung als Staaten gerecht werden und einen Zufluchtsort für Flüchtende schaffen. Nur offene Grenzen und Bewegungsfreiheit innerhalb der EU und in die EU herein können den Menschen gerecht werden, die hinter dem Begriff “Flüchtling” stehen.
noborderffm im September 2015