Solierklärung für die Genehmigung des Afrika-Festivals in Rödelheim 2012

Solidaritätserklärung der Gruppe NoBorder Frankfurt mit den Verantalter*innen des Afrika-Festivals im Solmspark und der Senegalesischen Vereinigung im Lande Hessen e.V.

Dieses Jahr im August fand das Afrika-Festival zum 6. Mal in Rödelheim statt und zog etwa 5000 Besucher an. Es wurden in diesem Jahr verschiedene Initiativen eingeladen, die über rassistische Repression durch den Staat berichtet haben. Einer dieser Vorträge behandelte den Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005, an Händen und Füßen gefesselt, in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Die genauen Umstände, die zu seinem Tod führten, sind bis heute nicht befriedigend aufgeklärt.

Jetzt wurde den Veranstalter*innen untersagt, das Afrika-Festival 2012 wieder im Solmspark stattfinden zu lassen. Die offizielle Begründung des Grünflächenamtes für das Platzverbot ist die Mehrung von Beschwerden der Anwohner*innen in Rödelheim. Es bestehen allerdings berechtigte Zweifel an diesem offiziellen Statement. Dies wird besonders durch die Aussage eines Referenten des Kulturamts deutlich, der die Genehmigung des Festivals aufgrund der „Kritik an der Staatsgewalt“ in der Auftaktveranstaltung bezweifelt hat.

Die Frankfurter Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Bündnis 90/Die Grünen) hat vor dem Hintergrund, dass das Kulturamt keine politische Veranstaltung unterstützen dürfe, ihre Zusage zur Auftaktrede zurückgezogen.

Die Verantwortlichen der Stadt Frankfurt am Main scheinen kein Interesse an der Förderung einer politischen Stimme von Afrodeutschen zu haben. Dies wird am Umgang mit der Senegalesischen Vereinigung und dem Afrika-Festival deutlich. Vielmehr werden unpolitische Events gewollt, die eine „andere“ Kultur zelebrieren, konsumierbar sind und rassistische Staats- und Alltagspraxen übertünchen.

Wir kritisieren die scheinheiligen Ausreden der Verantwortlichen der Stadt Frankfurt scharf und fordern, dass das politische Afrika-Festival in Zukunft weiterhin im Solmspark stattfinden kann.

„Aloso haben wir angefangen zu revoltieren.“ – Migrant*innen in Ioannina, Griechenland

Mit den hier wiedergegebenen Geschehnissen, den Kämpfen von MigrantInnen für ihre Rechte, soll ein anderes Bild von Migrierenden gezeichnet werden, als das in der Öffentlichkeit vorherrschende. Wir sehen an diesem Beispiel, dass Migration ihre ProtagonistInnen nicht zwangsläufig in die Rolle des „Opfers“ zwingt. Trotz der Steine die ihnen nicht nur von den GesetzgeberInnen in den Weg gelegt werden, haben auch Illegalisierte eine Stimme, die sie erheben können.

Dass Migration und Ausbeutung oft Hand in Hand gehen, haben wir schon oft gehört. Im Sinn haben wir da nicht nur das überpolarisierte Bild von „bösen Schleppern“ und „armen Migranten“, wie es von den Medien gerne gezeichnet wird, sondern auch das von großen Gemüseplantagen in Spanien oder Italien. Auch in Griechenland gibt es solche Plantagen, in denen die Menschen zehn Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche für 20 Euro pro Tag arbeiten und in denen sie in Plastikverschlägen auf Strohsäcken schlafen. Zu den Bedingungen solcher Arbeitsverhältnisse tragen „Illegalität“ und Marginalisierung der Arbeitenden ihren Teil bei. Durch die rechtliche Nicht-Existenz ist nicht nur das Vorhandensein von Alternativen beschränkt, sondern auch der Zugang zu Institutionen, die für die Einhaltung von Rechten und Gesetzen einstehen, erschwert. Durch diesen Umstand wird es wiederum den Arbeitgebenden leicht gemacht, ebenjene Gesetze zu ignorieren, und die Arbeitskraft der Illegalisierten maximal auszubeuten. Die wachsende Gewinnspanne des Arbeitgebers ermöglicht es ihm, sich gut auf dem Markt zu platzieren und zur Freude der Konsumierenden minimale Preise zu garantieren.

Dieser Artikel soll aber nicht von den elendigen Lebens- und Arbeitsbedingungen berichten, sondern von denen, die dieser Ausbeutung etwas entgegensetzen. Es gibt Menschen, die sich, obwohl sie von staatlicher Seite als nicht-existent da „illegal“ ernannt und ihnen keinerlei Recht zuerkannt werden, zusammenfinden, sich besprechen und ihre Kräfte bündeln. Sie widersetzen sich so der formalen Überlegenheit ihrer ArbeitgeberInnen. Sie stellen Forderung, kündigen das Arbeitsverhältnis gemeinsam, schalten Medien oder Gewerkschaften ein und streiken. Eine solche Gruppe von meist illegalisierten ArbeitnehmerInnen, die sich das Ausbleiben ihres Lohnes nicht gefallen ließ, trafen wir in Ioannina, im Nordwesten Griechenlands.

Wir sitzen auf einem der Betten in dem wohnlich eingerichteten Zimmer eines besetzten Hauses in Ioannina. Die Bewohner dieses Hauses sind gerade dabei einen Brief an die EinwohnerInnen der Stadt zu schreiben, in dem sie beschreiben, was ihnen in den letzten Monaten passiert ist, wie sie darauf reagiert haben und den sie mit der Bitte um die Solidarität der EinwohnerInnen versehen.
Jeder der acht Männer, die dort neben und uns gegenüber sitzen, hat eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte von einem weiten Weg, den sie schon hinter sich haben. Und auch eine Geschichte von einem weiten Weg, den es noch zu gehen gilt zu ihrem erhofften Ziel. Sie haben überwundene Grenzen hinter sich, Enttäuschung ob dieses unwirtlichen Europas, eine Familie, die auf heimgeschicktes Geld wartet.
Auf unterschiedlichen Wegen kamen sie auf die Plantage der Firma Tzartzoulis S.A. in der Nähe von Ioannina, auf der Tomaten und Bohnen angebaut werden. Sie nahmen es hin, in Plastikhütten zu wohnen, viel zu arbeiten und kaum Pausen zu haben. Sie nahmen es hin, bis ihnen ihr Lohn nicht ausgezahlt wurde. Da setzten sie sich zusammen und überlegten, wie sie den Arbeitgeber unter Druck setzen könnten. Sie führten Warnstreiks durch, forderten Gespräche, in denen neue Verträge aufgesetzt wurden. Der Arbeitgeber ließ einige Veränderungen zu, jedoch dauerte es nie lange, bis er den Lohn wieder einbehielt. Während das Gemüse, welches da angebaut wurde, in LKW durch ganz Europa fuhr und Geld einbrachte, sahen die Arbeitenden wochen- und monatelang keinen Cent von dem Erwirtschafteten. Als dann auch noch der Plantagenbesitzer mit all den Computern und wichtigen Maschinen vom Gelände verschwand, reichte es einigen der Arbeitenden. Sie wollten nicht mehr warten. Stattdessen gingen sie in die nächst größere Stadt, Ioannina, und sorgten für Aufmerksamkeit, um ihren Lohn zu erstreiten. Durch einen Zufall wurde eine griechischen Gewerkschaft auf diesen Schritt aufmerksam, solidarisierte sich mit den Kämpfenden und brachte den Fall in die Medien. Nach einer Demonstration am ersten Tag, begaben sich die 35 aufständigen Arbeitenden auf den zentralen Platz vor dem Rathaus und dem Gericht und traten in den Hungerstreik. Mitten im Dezember zelteten sie zwei Wochen lang im Schnee ohne einen Bissen zu sich zu nehmen.

Dieser Hungerstreik ist einer von zahlreichen Kämpfen prekarisierter MigrantInnen in Griechenland, die ihre Rechte einfordern. Im Frühjahr 2011 streikten beispielsweise 300 vor allem maghrebinische MigrantInnen 44 Tage lang für die Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus’. Sie streikten als MigrantInnen, aber auch als Arbeitende für ein Recht auf soziale und politische Teilhabe. Obwohl der Hungerstreik durch Kriminalisierungsversuche von Seiten der Regierung überschattet war, schafften sie es in den gesellschaftlichen Diskurs zu intervenieren. Trotzdem wurden nach 44-tägigem Kampf nicht alle Forderungen erfüllt, jedoch erhielten alle Streikenden eine Aufenthaltserlaubnis.1

Auch in Ioannina führte der Hungerstreik zum Erfolg: Durch den Druck, den die Streikenden, die solidarische Bevölkerung, die Medien und die Polizei auf den Plantagenbesitzer ausübten, willigte dieser endlich ein den Lohn auszuzahlen. Zusammengerechnet ging es um eine Summe von etwa 65 000 Euro.
„Dieser Plantagenbesitzer ist nicht ernst zu nehmen! Jedes Jahr macht er das gleiche.“, sagt Gérard, einer der Hungerstreikenden „Bis heute haben andere Gruppen von Arbeitenden ihr Geld noch nicht.“ Nachdem sie selbst aber ihren Lohn bekommen hatten und natürlich nicht mehr auf die Plantage zurückkehren wollten, sind zwölf der Hungerstreikenden in ein leerstehendes Haus in Ioannina eingezogen. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt im Moment damit, dass sie Verschiedenes an TouristInnen verkaufen. Durch diese Tätigkeit wurden sie bald in den nächsten Kampf verwickelt. In dem Brief an die EinwohnerInnen der Stadt, den sie gerade schreiben, als wir sie treffen, erzählen sie von der polizeilichen Schikane, die ihnen tagtägliche begegnet. Diese gipfelt darin, dass ihnen die Waren, die sie zum Verkauf anbieten, von der Polizei gestohlen werden. So wird ihnen jede Möglichkeit genommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie erklären uns, dass die Bevölkerung annimmt, die MigrantInnen wären Schuld an der griechischen Krise. Deshalb möchten sie mit ihrem Brief etwas gegen diese Meinung setzen und ihre Sicht der Dinge schildern.

„Gerade wird der Brief ins Griechische übersetzt. In den nächsten Tagen können wir ihn dann in der Stadt verteilen!“, sagt Gérard als er sich von uns verabschiedet.

Die Information in diesem Artikel stammen aus einem Interview mit den Hungerstreikenden, welches wir im September 2011 durchführten, sowie von:
http://clandestinenglish.wordpress.com/2010/12/11/35-immigrants-in-ioannina-w-greece-on-hunger-strike/

Solierklärung für die geräumte Schuhmannstrasse 60

22.10.2011
Solidaritätserklärung der Gruppe NoBorder Frankfurt mit den Besetzer_Innen der Schumannstr. 60

NoBorder Frankfurt erklärt sich solidarisch mit der Besetzung eines seit Jahren leerstehenden Gebäudes in der Schumannstr. 60 am 20. Oktober 2011, die sich spontan aus einer Vollversammlung und Demonstration der Studierenden der Frankfurter Goethe-Universität entwickelte. Mit dieser Aktion sollten auf unbezahlbare Mieten und Wohnraummangel, obwohl gleichzeitig eine große Anzahl an Häusern in Frankfurt leersteht, hingewiesen werden. Geplant war ein dauerhaftes, selbstverwaltetes Kulturzentrum und Wohnhaus, für das bereits am Freitag (21.10.) verschiedene Workshops angedacht waren.

Wir verurteilen deshalb die Räumung des Gebäudes, die schon nach wenigen Stunden unter dem unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und der Zurschaustellung von Macht auf Anweisung des Landes Hessen von der Polizei durchgeführt wurde. Besonders überraschend war dies, da vorhergehende Gespräche mit der Polizei und verschiedenen Medien darauf hinwiesen, dass keine Gefahr für eine (so) baldige Räumung bestünde. Während in der ganzen Stadt zahlreiche Immobilien leer stehen, machen sich Vertreter_Innen der Hochschulen und der Stadt weiterhin mit leeren Appellen unglaubwürdig – diese Tendenz gipfelt in dem Räumungsbefehl für die Schumannstraße 60, die den Studierenden, die seit Tagen oder Wochen quasi wohnsitzlos sind, als Wohnraum zugänglich gemacht werden sollte.

So wie die Grenzen zwischen Staaten und Wirtschaftsräumen dazu dienen, sozialen Ausschluss und eine dauerhaft prekarisierte Lebenslage herzustellen, führt die Verteuerung städtischen Wohnraums und die Streichungen im Bereich des sozialen Wohnens dazu, dass ein angemessenes Leben nur einem kleinen Anteil der Menschen in Frankfurt möglich ist.

Wir unterstützen deshalb die Aneignung und Umwandlung nicht genutzter Immobilien und Büroflächen in Wohnräume für Menschen, die in dieser Stadt von zumutbaren Wohnräumen ausgeschlossen werden. Die reflexhafte Kriminalisierung der Besetzer_Innen der Schumannstr. 60 verurteilen wir.

Solidarische Grüße
NoborderFFM

http://schlaflosinfrankfurt.blogsport.de/

Veranstaltung: Zwischen Revolution und Migration – Eindrücke aus Tunesien

Veranstaltung am Donnerstag, 11. August 2011
20.00 Uhr im Klapperfeld// Zwischen Revolution und Migration – Hagen
Kopp, aktiv bei »Kein Mensch ist illegal« schildert seine Eindrücke aus
Tunesien. Bilder, Filmclips und Berichte von einer Reisedelegation im
Mai nach Tunis, in die Flüchtlingslager im Grenzgebiet zu Libyen und
nach Sidi Bouzid, wo der arabische Frühling seinen Anfang nahm; zudem
aktuelle Informationen zum Projekt »Schiffe der Solidarität« sowie zu
einer geplanten transnationalen Konferenz Ende September in Tunis.
Vierter Teil der Veranstaltungsreihe zu Asyl- und Abschiebepolitik in
der BRD, die von »Faites votre jeu!« und noborder ffm
(noborderffm.blogsport.de) veranstaltet wird.

GrenzRegime – Vortrag und Diskussion von/ mit Sabine Hess, Kritnet

Donnerstag, 7.Juli 2011
19.00 Uhr //
Am heutigen Abend werden Sabine Hess und M. vom Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung (kritnet) ihre Perspektiven auf das europäische Grenzregime vorstellen. Kritnet versucht eine alternative Wissensproduktion voranzutreiben und mischt sich auch aktiv in den politischen Diskurs ein, wie beispielsweise mit den Aufrufen »Demokratie statt Integration« oder »Freiheit statt Frontex« (siehe www.kritnet.org). Statt Migration staatstragend als ein ordnungspolitisches Problem zu beschreiben, erklären sie das Recht auf grenzüberschreitende Mobilität zum originären Ausgangspunkt wissenschaftlichen Arbeitens.
In dem Vortrag werden Sabine Hess und M. ihre Positionen vorstellen (wie u.a. zuletzt in dem Sammelband »GrenzRegime« skizziert). Auf welche Fragen stoßen die Forschenden am Schnittpunkt von Theorie, Empirie, Kunst und Aktivismus? Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion!
Die Veranstaltung ist der dritte Teil der Veranstaltungsreihe zu Asyl- und Abschiebepolitik in der BRD, die an die Begleitveranstaltungen zur Gastausstellung »Residenzpflicht – Invisible Borders« im Februar anknüpft. Organisiert werden die Veranstaltungen von »Faites votre jeu!« und noborder ffm.